
Warum wir an toxischer Liebe festhalten – und wie ein grausames Experiment mit Ratten die Psychologie dahinter erklärt.
Manchmal denken wir, wir bleiben aus Liebe, aus Loyalität oder weil wir glauben, wir seien an dem Schmerz selbst schuld, den wir spüren, und wir erzählen uns Sätze wie "Es ist kompliziert", "Sie meinen es doch gut" oder "Früher war es doch schön", und so bleiben wir, nicht aus Schwäche, sondern weil unser ganzes System sich auf eine Hoffnung stützt, die mehr mit Biologie zu tun hat als mit romantischen Idealen.
Vielleicht bist du in einer Beziehung geblieben, die dich innerlich ausgehungert hat, in einer Freundschaft, die dich emotional ausgelaugt hat, in einem Job, der dich gebrochen hat oder in einem Familiensystem, das dir beigebracht hat, dass deine Bedürfnisse zu stören scheinen, und all das nicht, weil du nichts gesehen hättest, sondern weil du, wie viele andere auch, gehofft hast.
Um zu verstehen, warum Hoffnung dich fesseln kann, muss man zurückgehen, zu einem grausamen, aber aufschlussreichen Experiment, das in den 1950er-Jahren von Curt Richter an der Harvard-Universität durchgeführt wurde: Er setzte Ratten in mit Wasser gefüllte Behälter, um zu beobachten, wie lange sie schwimmen würden, bevor sie aufgaben und ertranken, im Durchschnitt waren das etwa 15 Minuten.
Doch dann griff er ein, kurz bevor die Tiere aufgaben, er zog sie aus dem Wasser, ließ sie sich erholen, trocknete sie ab, und setzte sie dann wieder zurück ins Wasser. Und was dann geschah, widerspricht allem, was wir über Erschöpfung zu wissen glauben: Diese Ratten schwammen nicht weitere 15 Minuten, sie schwammen ganze 60 Stunden.
Nicht, weil sie plötzlich kräftiger oder motivierter geworden waren, sondern weil sie gelernt hatten, dass Rettung möglich ist, wenn sie nur lange genug durchhalten.
Und genau dieser Mechanismus, diese Konditionierung auf "vielleicht werde ich gerettet", ist es, der auch Menschen in toxischen Beziehungen festhält. Du bist nicht verrückt, nicht zu sensibel, nicht schwach, du bist einfach ein menschliches Wesen mit einem Nervensystem, das darauf programmiert wurde, auf kleine Zeichen von Sicherheit zu reagieren, auch wenn sie eingebettet sind in ein Meer aus Schmerz.
Das passiert nicht nur in romantischen Beziehungen, es zeigt sich am Arbeitsplatz, wenn ein Chef dich nach Monaten der Abwertung plötzlich lobt, in Freundschaften, in denen eine einzelne nette Nachricht all die emotionale Einseitigkeit übertüncht, und in Familien, in denen ein Moment von Nähe jahrelange Manipulation ausblendet, es ist immer wieder derselbe Mechanismus: intermittierende Verstärkung, also unregelmäßige Belohnung, die unser Gehirn süchtig macht.
Exakt dasselbe Prinzip wird bei Spielautomaten in Casinos verwendet: Du ziehst den Hebel, verlierst, verlierst, verlierst, und dann plötzlich: ein Gewinn, nicht viel, vielleicht nur genug, um wieder auf Null zu kommen, aber das Geräusch, das Blinken, der Dopaminausstoß, all das reicht aus, um dein Gehirn wieder an das "Vielleicht" zu binden.
Und du drehst weiter, nicht weil du gewinnst, sondern weil du fast gewonnen hast, das Gefühl von "Ich bin kurz davor" wird zur Droge, und du erinnerst dich an das Hoch, nicht an das, was du gerade wieder verloren hast.
Dieses Suchtmuster ist exakt dasselbe, das dich dazu bringt, an Beziehungen festzuhalten, die dich innerlich zerlegen, du erinnerst dich an dieses eine gute Wochenende, an diese eine Entschuldigung, die echt klang, an dieses eine Mal, wo sie wirklich da waren, und plötzlich bist du wieder im Spiel, obwohl du längst aufgeben wolltest.
Neurobiologisch gesehen ist das vollkommen erklärbar: Unser Gehirn schüttet bei positiver Erfahrung Dopamin aus, ein Neurotransmitter, der für Motivation und Belohnung zuständig ist, und wenn diese Belohnungen unregelmäßig, unvorhersehbar und selten kommen, feuert das Dopaminsystem umso stärker, weil es ständig damit beschäftigt ist, eine mögliche Belohnung zu antizipieren.
Und so beginnt die Sucht, nicht nach Nähe, sondern nach Erleichterung, nicht nach Liebe, sondern nach dem einen Moment, in dem der Schmerz für einen Augenblick aufhört. Deine Erinnerungen werden selektiv, du klammerst dich an den einen guten Moment, den einen liebevollen Blick, das eine Gespräch, und blendest dabei den chronischen Schmerz aus.
Diese Form von Hoffnung, toxisch, verzweifelt, neurologisch verankert, ist kein Zeichen von Romantik oder Tiefe, sondern ein Überlebensmuster, das auf Fantasie basiert, nicht auf Realität.
Dein Nervensystem kann nämlich nicht unterscheiden zwischen echter Bindung und bloßer Erleichterung, und so verwechselt es Fürsorge mit dem Gefühl, nicht länger leiden zu müssen, und Liebe mit dem kurzen Moment, in dem dich niemand verletzt hat.
Das wirklich Tragische ist: Je länger du bleibst, desto mehr beginnst du zu glauben, dass der Schmerz normal ist, dass du ihn vielleicht verdient hast, dass du dich nur noch mehr anpassen musst, kleiner werden, weicher, geduldiger, bis der andere sich vielleicht ändert.
Aber das ist kein Liebesbeweis. Das ist ein Trauma-Loop.
Der Weg hinaus beginnt damit, dass du aufhörst, dich auf Einzelmomente zu verlassen, und anfängst, Muster zu erkennen.
Du fragst dich:
Ist diese Beziehung durchgehend nährend, oder lebe ich von Brotkrumen zwischen den Gewalten?
Bin ich mit dem Menschen verbunden, der wirklich da ist, oder mit einer Version von ihm, die ich mir immer noch erhoffe?
Bleibe ich, weil ich erfüllt bin, oder weil ich Angst habe, dass ich ohne sie zusammenbreche?
Gehen bedeutet nicht, dass du nicht liebst, es bedeutet, dass du dich selbst auch liebst.
Es bedeutet, dass du aufhörst, deinen Wert daran zu messen, wie viel Schmerz du ertragen kannst.
Es bedeutet, dass du das Wasser verlässt, auch wenn niemand kommt, um dich herauszuziehen.
Denn in dem Moment, in dem du erkennst, dass du selbst deine Rettung bist, beginnt ein neues Leben.
Ich frage dich:
Bist du schon einmal irgendwo geblieben, nur wegen der Hoffnung?
Und was hat dir am Ende geholfen, loszulassen?
Ich möchte deine Geschichte hören, nicht weil ich alle Antworten habe, sondern weil das Aussprechen des Musters manchmal schon die erste Form von Rettung ist.
Lass uns reden...
Joe Turan
Wenn dir mein Content gefällt, unterstütze mich, indem du mir auf Instagram folgst:
IG: @joeturan1
Hier geht’s zu meinem Profil:
www.instagram.com/joeturan1
Danke 💚
Joe Turan
– Life Coach
– Tantra- & Kuscheltherapeut
📞 +43 664 3884305
🌐 www.joeturan.com
Kommentar hinzufügen
Kommentare