Die Opferrolle...

Veröffentlicht am 6. Juni 2025 um 08:05

Wenn Schmerz zur Identität wird, eine Einladung zur radikalen Selbstverantwortung

 

Es gibt Erfahrungen, die brennen sich tief in unsere Erinnerung ein, nicht weil sie laut waren, sondern weil sie leise geschahen, ein Schmerz, der nie wirklich heilt, ein Satz, der nie zurückgenommen wurde, ein Moment, in dem jemand zu viel nahm oder schlichtweg zu wenig gab, sodass man irgendwann beginnt, sich nicht nur als verletzlich zu erleben, sondern sich über diese Verletzlichkeit zu definieren.

 

Vielleicht hast du diese Dynamik selbst schon einmal gespürt oder jemanden in deinem Leben, der sie wie eine zweite Haut trägt, eine Geschichte vom Opfersein, vom permanenten Ungesehenwerden, vom ständigen Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, und so sehr diese Wahrnehmung auch berechtigt ist, verwandelt sie sich manchmal unbemerkt in eine Haltung, in eine Weltsicht, ja fast schon in eine Identität, in der Schmerz zur Eintrittskarte für Bedeutung wird.

 

Die Opferrolle, so paradox es klingen mag, ist keine Schwäche, sondern ein Mittel der Kontrolle, subtil, still und für Außenstehende oft kaum greifbar, doch innerlich mächtig, denn sie bietet eine Struktur, eine Erklärung und manchmal sogar eine Art Trost, wenn die Welt zu komplex wird oder zu viele Grautöne hat.

 

Diese Rolle ist so verlockend, weil sie einfache Antworten liefert, dort, wo sonst Chaos herrscht, "Ich bin verletzt, weil andere schlecht mit mir umgehen", "Ich bin traurig, weil das Leben ungerecht ist", "Ich bin so, weil man mich so gemacht hat", und wenn man dieser Logik folgt, muss man sich weder verändern noch etwas riskieren, noch ehrlich hinterfragen, ob und wo man selbst beteiligt war.

 

Natürlich gibt es Momente, in denen man unschuldig war, in denen man Wunden erlitten hat, die man nicht verdient hat, aber wenn die Vergangenheit zur dauerhaften Ausrede für jedes Verhalten in der Gegenwart wird, dann übernimmt die Opferrolle leise, aber konsequent, die Führung im eigenen Leben.

 

Gerade in Beziehungen wirkt diese Dynamik oft zerstörerisch, ohne dass die Beteiligten es bewusst merken, denn Menschen, die tief in der Opferhaltung stecken, tragen meist den Glaubenssatz in sich, dass ihnen, aufgrund vergangener Verletzungen, auch in Zukunft nichts Gutes widerfahren wird, was dazu führt, dass sie Ablehnung erwarten, manchmal sogar provozieren, nur um sich in ihrer Erwartung bestätigt zu fühlen.

 

Selbst wenn du liebevoll bist, wenn du ehrlich gibst, wirst du nicht wirklich ankommen, weil der andere gelernt hat, Liebe mit Gefahr zu verknüpfen, Nähe mit Schmerz zu verbinden, sodass du dich irgendwann nur noch in Erklärungen, in Rechtfertigungen, in der müden Hoffnung verlierst, dass dein Mitgefühl doch noch etwas retten könnte, was längst innerlich erstarrt ist.

 

Was dabei häufig übersehen wird, ist die moralische Überlegenheit, die viele unbewusst in der Opferrolle empfinden, der Glaube, gut zu sein, weil man gelitten hat, während die anderen, die (vermeintlich) verletzt haben, automatisch zu den Schlechten werden, was nicht nur Empathie einseitig macht, sondern sie mit der Zeit ganz versiegen lässt.

 

Denn wenn du so sehr mit deinem eigenen Schmerz beschäftigt bist, dass du den des anderen nicht mehr wahrnehmen kannst, beginnst du vielleicht selbst zu verletzen, nicht aus Bosheit, sondern aus einem blinden Fleck heraus, der dich davon überzeugt, dass deine Handlungen keine Verantwortung brauchen, weil du ja selbst leidest.

 

Vielleicht erkennst du dich in diesen Zeilen wieder, oder jemanden, der dir nahesteht, und vielleicht tut es weh, das zu lesen, aber gerade da, wo es weh tut, liegt oft der erste Zugang zur Wahrheit, und dieser Text ist kein Vorwurf, kein Angriff, sondern eine Einladung, einen inneren Kreislauf zu unterbrechen, der lautet: "Ich bin verletzt, also darf ich verletzen."

 

Verantwortung beginnt nicht mit einer Therapie oder mit schnellen Loslassen-Ritualen, sondern mit einem einzigen Satz: "Ich kann nicht ändern, was mir passiert ist, aber ich kann entscheiden, wie ich heute damit umgehe", denn solange du die Schuld im Außen suchst, gibst du auch die Macht dorthin ab, bleibst reaktiv, abhängig und verpasst die Chance, dich selbst wieder als Gestalter deines Lebens zu erleben.

 

Viele Menschen hängen in dieser Dynamik fest, nicht weil sie schwach sind, sondern weil sie versucht haben zu heilen, und gescheitert sind, weil Vertrauen einmal zu viel wehgetan hat, weil sie irgendwann den Entschluss gefasst haben, dass Schutz wichtiger ist als Nähe.

 

Doch dieser Schutz kostet, er hält nicht nur den Schmerz fern, sondern auch die, die es gut mit dir meinen, auch die, die bleiben würden, wenn du sie ließe.

 

Der Weg hinaus ist nicht Coaching, nicht eine Affirmation, nicht das schnelle "Ich lasse jetzt los", sondern radikale Ehrlichkeit mit sich selbst und die Bereitschaft, sich unbequemen Fragen zu stellen: Was verliere ich, wenn ich die Opferrolle ablege? Was müsste ich fühlen, wenn ich anerkenne, dass ich heute mitverantwortlich bin für das, was ich erlebe? Was in mir klammert sich so sehr an meine Geschichte, dass sie mir näher ist als jede mögliche Zukunft?

 

Und genau da beginnt Bewegung, nicht laut, nicht dramatisch, sondern leise, echt und beständig.

 

Du wirst beginnen zu unterscheiden zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wirst spüren, dass du nicht dein Schmerz bist, und vielleicht, mit der Zeit, aufhören, deine Geschichte jedem neuen Menschen wie eine unsichtbare Rüstung überzustülpen.

 

Plötzlich entsteht Raum, für Nähe, für Gegenseitigkeit, für ein Miteinander, das nicht mehr auf Schuld basiert, sondern auf Präsenz, auf Verantwortung, auf echter Begegnung.

 

Jeder von uns wird irgendwann Opfer.

Aber nicht jeder bleibt es.

 

Die wahre Stärke liegt nicht darin, niemals zu fallen, sondern sich selbst ehrlich zu begegnen, mit allem, was war, und allem, was noch werden kann.

 

Was denkst du darüber?

Kennst du solche Dynamiken aus deinem Leben, als jemand, der sich selbst verloren hat, oder als jemand, der einen anderen kaum noch erreichen konnte?

 

Ich freue mich auf deine Gedanken. Vielleicht ist dein erstes Wort der erste Schritt hinaus aus dem Stillstand.

 

Joe Turan 

 

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Joe Turan

– Life Coach

– Tantra- & Kuscheltherapeut

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