
Neun Jahre voller Distanz, nicht nur in Kilometern, sondern auch in Erinnerungen, vor denen ich zu fliehen versucht hatte.
Und doch, als ich ihn dort stehen sah, kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, langsamer, zerbrechlicher, zerbrach in mir etwas.
Ich hatte eine Geschichte um ihn herum aufgebaut.
Eine Geschichte darüber, warum ich so geworden war, wie ich bin.
Darüber, was er mir nicht gegeben hatte.
Über seine Fehler, sein Schweigen, seine Kälte, seine Abwesenheit.
Jahrelang sah ich ihn durch die Augen des verletzten Jungen.
Aber diesmal sah ich ihn durch die Augen des Mannes, der ich geworden bin.
Ich sah einen Menschen, geformt von seinen eigenen Ängsten, seinen Grenzen, seinen Wunden, die er nie benennen konnte.
Er ist jetzt über achtzig. Seine Hände zittern ein wenig, doch sie tragen immer noch diese stille Entschlossenheit. Er bestand darauf, für mich zu kochen.
Er wollte mein Lieblingsgericht zubereiten, das gleiche, das er schon kochte, als ich ein Kind war. Ich sagte ihm, er solle sich setzen, sich ausruhen, aber er hörte nicht. Er bewegte sich langsam, aber mit Ziel. Er wollte sich kümmern.
Und während ich ihn beobachtete, wurde mir klar, dass das seine Art war, „Ich liebe dich“ zu sagen.
Nicht durch Worte oder große Gesten.
Sondern durch Essen. Durch kleine Handlungen der Fürsorge. Durch sein Dasein, immer noch.
Jahrelang dachte ich, ich müsste verstehen, warum er so war, wie er war.
Jetzt verstehe ich: Er tat, was er konnte, mit dem, was er wusste.
All die Jahre dachte ich, ich bräuchte, dass er mich versteht.
Aber diesmal verstand ich ihn.
Seine Liebe erreichte mich nicht immer auf die Weise, die ich gebraucht hätte. Er war nicht perfekt, aber er war auf seine Art da.
Und vielleicht ist das alles, was Liebe jemals ist, ein unvollkommener Versuch, sich zu kümmern, innerhalb der Grenzen dessen, wer wir sind.
Ich hörte auf, ihn verändern zu wollen.
Ich hörte auf, zu verlangen, dass er mehr sein sollte, als er ist.
Und als ich das tat, konnte ich ihn endlich wieder lieben, nicht als den Vater, den ich mir gewünscht hatte, sondern als den Mann, der er tatsächlich ist.
Ich war nicht dorthin gegangen, um ihm zu vergeben.
Ich war dorthin gegangen, um ihm zu begegnen.
Aber die Vergebung kam von selbst, nicht als große Entscheidung, sondern als sanftes Ausatmen.
Sie kam, als ich aufhörte, gegen die Vergangenheit zu kämpfen.
Als ich aufhörte, ihn ändern zu wollen.
Als ich ihn einfach sein ließ, so wie er ist, und mir erlaubte, ihn zu lieben, nicht für das, was ich mir gewünscht hatte, dass er wäre, sondern für das, was er wirklich ist.
Diese Begegnung hat etwas in mir aufgebrochen.
Sie hat mich daran erinnert, dass Vergebung nicht bedeutet, die Vergangenheit auszulöschen.
Es bedeutet, in ihr zu stehen, mit offenen Augen und offenem Herzen, und zu sagen: Ich sehe dich jetzt. Und das ist genug.
Es gab einen Moment, einen einfachen, alltäglichen Moment, als er mir einen Teller hinstellte und lächelte.
Und in diesem Moment fühlte ich etwas, das ich seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte: Frieden.
Den Frieden, der entsteht, wenn man aufhört, vor seiner eigenen Geschichte davonzulaufen.
Diese Reise war keine nostalgische Rückkehr.
Sie war Integration.
Sie war das Stehen vor dem Mann, der mir das Leben geschenkt hat, und die Erkenntnis, dass sich das Leben geschlossen hat, dass ich den Vater, den ich einst verurteilte, nun verstehe.
Und dass der Junge, der einst so viel von ihm brauchte, ihm nun etwas zurückgeben kann: Mitgefühl.
Ich verließ meine Heimat mit einem weicheren Herzen.
Nicht, weil alles geheilt war.
Sondern weil ich nicht mehr brauchte, dass es das war.
Manche Dinge sind nicht dafür bestimmt, gelöst zu werden.
Manche sollen gehalten werden, sanft, mit beiden Händen, und endlich geliebt werden, so wie sie sind.
Joe Turan
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